Montag, 3. Juli 2017

Camping Hellas, Gatzea: Das Ende der Hitze

Camping Hellas in Kato Gatzea

Nach vier Tagen Backofenhitze mit Temperaturen bis über 40 Grad kam heute nacht der Wind. Ich wurde früh wach, als die Böen an unserer Markise rüttelten. Vor dem Wohnmobil war zwar durch den Wind eine heillose Unordnung entstanden, die Luft aber war frisch und sauber. Der Blick auf die Weite des Golfs zeigte türkisfarbenes Wasser und weiße, glänzende Schaumkronen. Sollen wir bei dem Wellengang schwimmen oder nicht? Ildiko entschied, dass wir wollen. Gestern abend konnte das Meer noch mit jedem Thermalbad konkurrieren, heute morgen aber ist das Wasser erfrischend kühl. Der Wind hat dem Meer sehr gut getan. Das Schwimmen war anstrengend aber auch spannend. Ich schwamm meine übliche 200 Meter geradewegs hinaus und die Frage war nur, wieviel Wasser ich zu schlucken imstande war. Beim Rückenschwimmen musste ich nur aufpassen, im rechten Augenblick den Mund zu schließen, damit die Welle über mich hinwegschappte. Wie üblich trafen Ildiko und ich uns an der Spitze der Landzunge, Kala Nera im Blick. Nach den Frühbad dann das Frühstück.
Heute am Montag ist auch der Strand wieder leerer. An den Wochenenden fallen immer zahlreiche Griechen ein. Und bei der gestrigen Hitze waren es noch mehr als üblich, die im lauwarmen Wasser vergebens nach Kühlung suchten.
Dies ist inzwischen mein fünfter Post und ich beginne ein wenig Gefallen daran zu finden. Ob jemand mich liest, weiß ich nicht, aber diese Schreiben ist auch ein bisschen wie Tagebuch.
Blick von unserem Domizil auf das Meer

Seit fünfunddreißig Jahren sind wir jeden Sommer für ein paar Wochen auf immer den gleichen Platz: Camping Hellas International. Adonis und seine Schwester Aristea, er führt den Platz, sie die Bar, kennen wir seit ihrer Kindheit. Seit Jahren haben wir den gleichen Platz, etwa 30 Meter vom Strand entfernt. Seit wir das größere Wohnmobil haben, bauen wir nur noch ein Küchenzelt auf. Früher, als die Kinder noch dabei waren, gab es auch noch ein großes Zelt.
Blick von Aghia Triada auf das Dorf Kato Gatzea



Ein paar hundert Meter über Kato Gatzea liegt auf einer Bergkuppe das Kloster Aghia Triada. Es ist eine Dependence der Athosklöster und in der Regel von einigen Mönschen bewohnt. Wenn man Glück hat und einem Mönch antrfft, bekommt man auch einen Kaffee, etwas Gebäck und ein Glas kühles Wasser serviert. Für Männer in kurzen Hosen liegen am Eingang Röcke bereit und Frauen haben sich natürlich ebenfalls züchtig ins Kloster zu begeben. Der Blick von hier oben ist einmalig schön.




Vor zwei Jahren bekam Ildiko den Auftrag von Adonis, ihm ein Bild zu malen. Das Motiv brachte er mit.
Ildiko machte sich an die Arbeit und das Ergebnis ist hier zu besichtigen.

Ildiko Hajnal, Olivenbaum (für Adonis)
70 x 50 cm 

Ildikos zahlreiche Bilder sind übrigens in ihrer Website www.ildiko-hajnal.de in der Galerie zu besichtgen.









Wer Lust hat noch etwa von mir zu lesen, für den folgt hier ein kleiner literarischer Spaziergang.

Oregano


Unseren jährlichen Vorrat an wildem Majoran, Oregano oder griechisch ‚Riggani' pflücken wir uns in jedem Sommer oberhalb von Aghia Triada. Das kleine Kloster der heiligen Dreifaltigkeit thront ein paar hundert Meter auf einem Berg über der halbrunden Bucht von Kato Gatzea. Das mannshohe Kreuz, weithin sichtbar, beschirmt die Dörfer Ano Gatzea, Kato Gatzea und, etwas entfernter, Kala Nera. An jedem Sonntagmorgen wecken die frommen Gesänge der Athosmönche, die hier eine Dependence errichtet haben, die Dörfler und spornen sie zum Kirchgang an.

Unterhalb des Klosters, wo die Asphaltstraße in einen Platz mündet und danach staubig und holprig weiterführt in das Bergdorf Pinakates, rauscht ein Bach zu Tal. Er ist eingezwängt in eine Betonrinne wie fast alle Bächlein auf dem Pilion, denn sie sind ja schließlich zum Bewässern der Obst-plantagen da und nicht nur zum Rauschen, aber sein Wasser ist kühl und klar. Wer wissen möchte, wie Wasser schmeckt, sollte aus diesem Bach trinken. Man kniet einfach nieder und benutzt die hohle Hand als Trinkschale.

Zu beiden Seiten dieses Bachlaufes, beschattet von Olivenbäumen, finden wir immer reichlich Riggani. Ab Mitte Juni öffnen sich die kleinen weißen Blüten an den langen kleinblättrigen Stängeln und verbreiten jenen Duft, der an Hammelbraten denken lässt und den Mund wässrig macht. Am besten ist die Ernte, wenn es Tags zuvor geregnet hat. Dann ist aller Staub von den Pflanzen gewaschen und es riecht unbeschreiblich sauber. Beim Pflücken machen wir den Bienen Konkurrenz. Die sind immer schon vor uns da. Aber sie nehmen es nicht übel, dass wir auch auf ihrer Wiese grasen, denn Riggani gibt es so früh im Sommer noch genug für alle. Man muss sich nur bücken. Beim Ernten  sind wir auch ganz vorsichtig, damit wir keine Pflanze mit der Wurzel ausreißen, denn dann wächst im nächsten Jahr keine neue. Nach einer halben Stunde haben wir ein halbes Dutzend Sträuße beisammen und das reicht wieder für eine Saison. Sie werden aufgefädelt und kopfüber ans Zelt gehängt. Eine Woche lang trocknen sie so in der Sonne, bevor sie fein gerebelt in Dosen wandern und zuhause griechische Sommerdüfte in den Kochtopf zaubern.

Doch vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Vom Campingplatz bis zur Aghia Triada ist ein eine ordentliche und auch schweißtreibende Wanderung. Man zieht die Wanderstiefel an, schultert den Rucksack und macht sich auf den Weg. An der dörflichen Standpromenade vorbei, quer durch die Obstgärten und wenn man will, auch an den Ziegenkrals vorüber, über die vielbefahrene Hauptstraße und dann schnurstracks in die Olivenhaine. Anfangs ist der Pfad noch eben, doch dann geht es bergauf. Zu beiden Seiten grüßen uralte Olivenbäume, ziehen Fratzen und tun, als ob sie einen auslachten. Dabei sind sie gutmütig und wenn man sie kennt, freut man sich über ihre Runzeln und Furchen. Manche sind schon viele hundert Jahre alt. Ein Schild weist zum Friedhof und ein anderes zum Sportplatz. Ja, es gibt sogar ein Stadion in Gatzea, mitten im Olivenwald. Da gehen wir aber nicht vorbei, sondern zweigen vorher ab in einen Kalderimi. Kalderimi, so heißen jene Pilionwege, die Stein für Stein gelegt wurden, als es noch keine Straßen gab. Sie waren oft die einzigen Verbindungen von Ort zu Ort und dienten als Transportadern für die Mulis, die beladen mit der Olivenernte des Frühwinters zu den Ölmühlen unterwegs waren. Für die Kinder in den Berg-dörfern waren diese Kalderimi der tägliche Schulweg, und die Alten gingen auf ihnen zur Kirche. Heute sind diese Wege halb verfallen, oft überwuchert und nur noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten. Man braucht sie nicht mehr. Asphaltstraßen führen fast überall hin und der geländegängige Pick-up hat weitgehend den Esel oder das Muli ersetzt. Beim Kalderimi-Wandern ergreifen einen bisweilen fast archaische Gefühle. Ich glaube, man wäre gar nicht verwundert, wenn plötzlich eine Panflöte erklänge. Doch diese Kalderimi haben es auch in sich. Sie gehen steil bergan und von Stein zu Stein sind es manchmal so große Schritte, dass die Kniescheiben knirschen.

Der Kalderimi zur Aghia Triada ist mit etwa zwei Kilometern nicht allzu lang. Er windet sich in ein paar Schleifen durch die Olivenhaine überwindet etliche Steinterrassen, quert die Asphaltstraße und verliert sich dann in einem Gehöft. Dort gehört er zwar nicht hin, aber da ihn kaum noch jemand braucht, hat man ihn hier einfach abgeschnitten und seine Steine benutzt, um einen Ziegenstall zu bauen. Die Tiere meckern uns an, als wir vorübergehen und der ängstliche Haushund bellt sich lautstark Mut zu. Noch ein paar Dutzend Schritte und dann sind wir oben. Durstig, erschöpft. Die Haare sind pitschnass und im Nacken bildet der Schweiß kleine Sturzbäche.

Für den Heimweg lassen wir uns viel mehr Zeit: Am Weg liegt nämlich eine Kneipe, ein ‚Estiatorion': Doris – ‚To Ntoris‘. Nein, nein, in Griechenland nennt man Restaurants nicht nach Frauen. Griechenland ist Männersache. Und ‚Doris' ist irgendwie von Theodorius abgeleitet. So heißt der dicke, behäbige Wirt. Seine Frau kocht. Der ‚Doris' schaut nur nach dem Rechten. Das aber kann sich sehen lassen. Die Küche ist so deftig, rustikal und gut, dass wir am liebsten jeden Abend hier essen würden. Besonders die Vorspeisen sind vom Feinsten: Gebratene Paprika, Auberginen, Zucchini, Käsesalat, Zaziki, Weinblätter und Knoblauch-Creme. Wir fressen uns durch das Gemüseparadies. Der hausgemachte Wein ist hellrot, riecht erdig und schmeckt ein kleines bisschen nach Zimt.

Nach ein paar Stunden holen wir dann, erholt, gesättigt und auch ein wenig berauscht, die Taschenlampen aus dem Ruck-sack und finden trunken und einigermaßen mühsam den Weg ins Tal. Manchmal, wenn wir Glück haben, scheint der Vollmond und lässt das nächtliche Meer silbern glitzern.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

documenta und Szymczyk

documenta und bohrende Fragen Die documenta 14 ist zu mehr als der Hälfte vorbei, schon fast in der Zielgeraden. Anlass, einmal Ildikos Au...